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Weißstorch x Schwarzstorch
Freitag,, 30. Juni 2023
5. Fortsetzung
Die beiden Jungen im Storchennest in Lüder wachsen weiter heran. Die Frage steht im Raum: Wie konnte es überhaupt zu dieser so noch nie dagewesenen Konstellation kommen? Diese Frage bezieht sich natürlich vor allem auf das Schwarzstorchweibchen. Schließlich gelten Schwarzstörche als extrem scheu und haben ihr Nest tief versteckt im Walde. Dieses Weibchen aber verhält sich ja völlig anders. In diesen Zusammenhang ist interessant, dass nicht weit davon entfernt schon zuvor ein Schwarzstorch durch sein ungewöhnliches Verhalten aufgefallen ist. Mein Betreuerkollege Thmas Koberstein berichtet aus der Altmark (Sachsen-Anhalt):

"Für mich ist das Geschehen in Lüder insofern interessant, weil ich die Schwarzstörchin vermutlich seit 2020 gut kenne. Sie zeigte in der Vergangenheit bereits „abnormes“ Verhalten, war sehr angriffslustig gegenüber Weißstorchpaaren, nicht aber zu Einzelstörchen und kaum argwöhnisch gegenüber Menschen. So war sie 2021 im Tierpark Salzwedel, auf der Kirche in Tylsen oder auf Angriff gebürstet in Bonese (siehe Foto!). Die räumliche Nähe (12 km) zum Nest in Lüder bestärkt mich in der Annahme, dass es sich bei der Störchin in Lüder um genau den Schwarzstorch handeln könnte, der damals den Angriff geflogen hat.“
 
Schwarzstorchattaken auf ein Weißstorchnest hat es schon mehrfach gegeben- so 2021 in Hambühren im Kreis Celle (siehe Bericht 27.04.2021) und über mehrere Jahre hin im Kreis Lüchow-Dannenberg. Im Tierpark Salzwedel 2021 war es kein Angriff. Der "wilde" Schwarzstorch (offensichtlich ein Weibchen) baggerte eine Zeitlang das dortige in Pflege befindliche Weißstorch-Männchen an, zog dann aber weiter. Und in Lüder ging die Initiative ebenfalls von dem Schwarzstorch-Weibchen aus. Ist das nicht ein Widerspruch? Nein, das muss es nicht sein. Eine Erklärung, warum es sich dennoch immer um dasselbe Schwarzstorchweibchen handeln könnte, legen insbesondere die Beobachtungen von Thomas Koberstein nahe: Die Attacken in Tylsen und Bonese (hier sitzt der 2. Storch tief im Nest) erfolgten jeweils auf das dortige Paar, galten aber eigentlich dem Weibchen. In Salzwedel und Lüder aber ist nur ein solo Weißstorchmännchen - und somit eine ganz andere Ausgangssituation für die einen Partner mit Nest suchende Schwarzstörchin. Warum es bei ihr aber ein Weißstorchmännchen sein soll, das bleibt rätselhaft. Vielleicht hatte sie einen frühen menschlichen Kontakt verbunden mit einer Vergesellschaftung mit Weißstörchen.
Montag,, 26. Juni 2023
4. Fortsetzung
Nun sind die Jungen in Lüder fünf Wochen alt - und entwickeln sich weiter in unterschiedlicher Weise. Hier drei Fotos von heute von einer Storchenbrut, die es so in freier Natur noch nie gegeben hat. Der Fotograf Gerhard Braemer schreibt dazu: "Sieht nach spektakulärer intermediärer Zweifarbigkeit bei dem Größeren aus: grauer Kopf, schwarz/weißer Rücken." Mit fortschreitendem Wachstum werden die Unterschiede zwischen den beiden Jungen sicher noch größer.
Sonntag,, 25. Juni 2023
3. Fortsetzung
Bisher hatte ich in meinen Beiträgen vom 19. April, 21. April und vom 7. bis 13. Mai berichtet, dass sich auf dem Weißstorchnest in Lüder/UE) ein Paar zusammengefunden hat, bestehend aus einem Weißstorchmännchen und einem Schwarzstorchweibchen. So etwas hat es in freier Natur noch nicht gegeben. Am 19. April war dann Brutbeginn. Vermutlich drei Eier wurden gelegt. Ob in solchen Mischpaar-Eiern überhaupt Leben wachsen kann? Ja, es konnte. Ab dem 20. Mai wurde gefüttert. Die nächste spannende Frage war: Wie sieht denn der Nachwuchs aus - mit schwarzen Schnäbeln wie Weißstorchjunge oder mit gelben wie bei den Schwarzstörchen? Es zeigte sich: keins von beiden. Das eine, etwas größere Junge hat einen mehr grauen, das andere einen mehr ins gelbliche gehenden Schnabel. Auf dem Foto von Gerhard Braemer sind die Jungen gut zwei, mittlerweile fünf Wochen alt. Vor einer Woche wurden sie beringt. Sollten sie flügge werden, könnte anhand der Ringnummer auch der weitere Lebensweg verfolgt werden. Es bleibt spannend.
Sonntag 7. bis Samstag 13. Mai 2023
2. Fortsetzung
Was macht das Paar in Lüder (GF), das aus Weißstorchmännchen und Schwarzstorchweibchen besteht? Die Anfrage am Mittwoch bei Schwarzstorchbetreuer Arne Torkler ergab: das Brutgeschehen dieses "unnormalen" Paares verläuft bisher ganz normal. Auffällig ist das aggressive Verhalten des Weibchens gegen alles, was in Nestnähe umherfliegt. Aber das ist für Schwarzstörche wohl nicht ungewöhnlich. Da die Brut am 19. April begonnen hatte, könnten um den 21/22.Mai herum Junge schlüpfen - wenn das denn in dieser Konstellation möglich ist.
Freitag, 21. April 2023
Fortsetzung
Ja, noch hält die so noch nicht dagewesene Verbindung zwischen dem Weißstorchmännchen und dem Schwarzstorchweibchen in Lüder (UE). Und: nun wird tatsächlich gebrütet, heute schon den dritten Tag. Dass dies auch Probleme mit sich bringt aufgrund von unterschiedlichen Verhaltensweisen der beiden Partner, zeigte sich nun auch bei der Brutablösung. Bei Weißstörchen geschieht diese etwa alle drei Stunden. Bei Schwarzstörchen, die auf Nahrungssuche viel weiter und länger unterwegs sind, können es sechs Stunden und mehr sein. Schwarzstorchbetreuer Arne Torkler beobachtete: Das Schwarzstorchweibchen flog ab zur Nahrungssuche. Das Weißstorchmännchen übernahm das Brüten. Vier Stunden lang saß er fest auf den Eiern. Als sie dann immer noch nicht erschienen war, stand er mehrere Male ganz kurz auf, setzte sich aber schnell wieder. Das Geschehen passte einfach nicht zu seinem gewohnten angeborenen Wechselrhythmus. Sechseinhalb Stunden musste er warten. Dann kam sie zurück. Sofort flog er - nun richtig hungrig geworden - vom Nest ab und suchte Nahrung auf der Wiese. Für die nächsten Stunden übernahm sie das Brüten. Nicht beobachtet werden konnte, ob er dann nach drei Stunden zurückkehrte, um sie abzulösen - und ob sie dann schon dazu bereit war oder ob er sich noch weitere drei Stunden gedulden musste. Man darf gespannt sein, wie es weitergeht in dieser Beziehung.   
Mittwoch, 19. April 2023
Weiß- und Schwarzstorch verpaart
Dass ein Schwarzstorch schon mal versucht, auf einem Weißstorchnest zu landen, das kommt ab und zu vor. Im Kreis Lüchow-Dannenberg gab es sogar schon mal mehrere Jahre lang einen schwarzen Störstorch. Eine Verpaarung zwischen Weiß- und Schwarzstorch in freier Natur hat es aber wohl so noch nicht gegeben. Doch eben dieses geschieht derzeit auf dem (Weiß-) Storchennest in Lüder (UE - nahe Kreisgrenze GF). Da hat das dortige Weißstorchmännchen, dessen Partnerin noch nicht eingetroffen ist, dem mehrtätigen Werben eines Schwarzstorchweibchens nachgegeben. Nun sind die beiden ein Paar.
 
Es stellen sich mehrere Fragenkomplexe, der erste: Gibt es eine Erklärung für dieses ungewöhnliche Verhalten der Schwarzstörchin? Dass sie in einem Zoo oder in einer Pflegeeinrichtung zusammen mit Weißstörchen aufgewachsen ist und dadurch geprägt wurde, ist unwahrscheinlich. Dann würde sie beringt worden sein. Könnte sie vielleicht als Brutstörchin von einem nicht allzu weit entfernten Nest vertrieben worden sein und nun mangels Alternativen in Brutstimmung diese Alternative gewählt haben? Auch das ist bisher so noch nicht vorgekommen. Es gibt in dieser Frage keine zufriedenstellende Antwort.
 
Frage zwei: Kann es zwischen Weiß- und Schwarzstorch tatsächlich Nachwuchs geben? Das wären dann Hybriden. Ja, so etwas ist in Gehegehaltung schon mal vorgekommen. Also biologisch möglich ist es schon.
 
Frage drei: Wie kommen die beiden in ihrer Beziehung mit ihren doch sehr unterschiedlichen Verhaltensmustern klar?
 
  1. Weißstörche haben sich an den Menschen gewöhnt, Schwarzstörche aber sind sehr scheu und heimlich. In Lüder ist es für die Anwesenheit der Schwarzstörchin sicher von Vorteil, dass das (Weiß-)Storchennest etwas abseits von öffentlichen Wegen steht.

  2. Weißstörche nehmen zur Begrüßung den Kopf in den Nacken und klappern. Schwarzstörche senken den Kopf und stoßen ein pfeifendes Geräusch aus. Schwarzstorchbetreuer Arne Torkler stellte vor Ort fest: Wenn das Schwarzstorchweibchen auf dem Nest eintrifft, wird es mit Geklapper begrüßt. Wenn er eintrifft, senkt sie den Kopf und pfeift. Offensichtlich ist für beide das Anderssein des Partners in dieser Hinsicht kein Hinderungsgrund.

  3. Weißstörche suchen ihre Nahrung möglichst in Nestnähe, Schwarzstörche fliegen dafür oft etliche km. Das ist, wie Arne Torkler beobachtet hat, auch hier der Fall.
 
Es bleibt spannend, wie es nun weitergeht mit dem Storchenpaar in Lüder. Sollte allerdings das Weibchen der Vorjahre noch eintreffen, wird die schwarzweiße Paarbeziehung wohl schnell ein Ende haben.                      

Hans-Jürgen Behrmann
Weißstorchbetreuer für die Landkreise Celle (bis 2019) und Gifhorn



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Hans-Jürgen Behrmann
Weißstorchbetreuer für die Landkreise Celle ( bis 2019) und Gifhorn



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